Lean Construction: Wie ein Denkmodell die Baubranche verändert

Kaum ein Gewerbe ist arbeitsteiliger als die Baubranche. Eine Tatsache, die klare und verbindliche Absprachen nötig macht. Mit wachsender Komplexität wird es jedoch immer schwieriger, Abläufe zu koordinieren und Planvorgaben zu erfüllen. Dennoch höchste Qualität zu garantieren, Kosten einzusparen und dabei noch die Produktivität zu steigern, ist das zentrale Ziel des LEAN Ansatzes. Erstmals in der Autoindustrie umgesetzt wird LEAN auch erfolgreich von KREBS+KIEFER angewandt

Eine Idee aus der Autoindustrie

1990 erschien ein Buch, in dem der Begriff LEAN zum ersten Mal geprägt wurde. In „The Machine that changed the World“ (zu deutsch: Die zweite Revolution in der Autoindustrie) beschreibt der amerikanische Ökonom James P. Womack ein besonders erfolgreiches Management System, das er beim japanischen Autoherstellern Toyota beobachtet und analysiert hatte. Darin beschreibt er mit LEAN, zu deutsch „schlank“, Denkansätze und Verfahrensweisen, die schlanke Prozesse ermöglichen und effiziente Problemlösungsstrategien möglichst transparent über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg gestalten. Es ist ein ganzheitliches Konzept, das den Kunden bestmögliche Qualität liefern soll, gleichzeitig auch unnötige Kosten, Fehler und Verschwendung vermeidet. Es geht darum, lernende Organisationen zu schaffen, die sich schnell auf Veränderungen und Herausforderungen einstellen und reagieren können. Von Lufthansa über Dell bis hin zu McDonald‘s - die Denkansätze von Lean veränderten seit dem Prozessabläufe weltweit. Die klassische Massenproduktion wurde zum Auslaufmodell, es etablierten sich zunehmend moderne und flexible Methoden nach dem Vorbild des Toyota Systems.

Das Kundenbedürfnis im Zentrum

Lean Construction (LC) ist die Adaption der Lean-Prinzipien auf den Baubereich und darauf ausgerichtet, Planungs- und Bauprozesse kontinuierlich zu optimieren und die Bedürfnisse des Auftraggebers - eine Leistung in höchster Qualität zum veranschlagten Preis im vereinbarten Zeitrahmen - konsequent ins Zentrum zu stellen. Wenn der LEAN Gedanke in diesem Zusammenhang von Verschwendung spricht, dann sind das lange Wartezeiten, zu große Lagermengen, unnötige Transporte und Nacharbeiten.  Ein wesentlicher Bestandteil einer Verbesserung der Prozessstabilität und der Vermeidung von Störungen ist eine getaktete Terminplanung mit zeitlich harmonisierten Gewerke- und Arbeitsschritten. Der Unterschied zur konventionellen Bauablaufplanung besteht im Wesentlichen darin, dass in jedem Abschnitt, dem so genannten ‚Los‘ nur ein Gewerk arbeitet und bei allen Prozessen maximale Transparenz für alle Partner herrscht.

Mögliche Störungen werden sofort sichtbar

Bei der Umsetzung der ökonomischen Ziele geht es hauptsächlich darum, Gebäude wirtschaftlich sinnvoll und über ihren gesamten Lebenszyklus und darüber hinaus zu planen. Das bedeutet für uns, sämtliche Phasen eines Objektes, von der Errichtung über den Betrieb bis hin zum Abriss und der Wiederverwertung mitzudenken. Unsere Überlegungen fangen bei den Baukosten an, beziehen Bewirtschaftungskosten und Modernisierungskosten ein und hören erst bei den Aufwendungen für den Rückbau und das Recycling des Gebäudes auf.

Gleiches auf ökologischer Ebene. Können wir lange Transportwege beim Baumaterial einsparen? Wie können wir regionale Baustoffe einbeziehen? Wie halten wir den Energieverbrauch des Gebäudes so gering wie möglich? Ist die Nutzung von recycelten Materialen möglich? Können ganze Konstruktionsteile nach dem Rückbau wiederverwendet werden? Wie sieht es mit Schutt aus? Wird er recycelbar sein? Auf all diese Fragen finden wir immer wieder neue Antworten. Eine Herausforderung, die uns antreibt, die beste Lösung zu finden.

Auch im soziokulturellen Bereich finden wir Antworten. Alle Überlegungen zielen hier auf die menschlichen Bedürfnisse. Wir wollen Gebäude mit Lebensqualität planen, in denen der Mensch im Mittelpunkt steht. Hier geht es um Schutz vor Kälte und Wärme. Es geht um Licht, um Luft, um Lärmschutz und eine Nutzbarkeit für möglichst viele Personengruppen.

Alle Aspekte sind gleichberechtigte Themen in der Planung von nachhaltigen Bauwerken. Der Paradigmenwechsel in der Baubranche bedeutet für alle Beteiligten einen erheblichen Aufwand. Ein Aufwand jedoch, der sich in jeder Hinsicht lohnt.

Davon sind wir von KREBS+KIEFER überzeugt. Wir sind Teil eines Aufbruchs in der Branche. Die Qualität der Planung erreicht ein neues Niveau. In der Spezifizierung der unterschiedlichen Disziplinen liegt unsere Kernkompetenz. Genau hier leben wir Verantwortung, Kreativität und Innovation.

 

 

 

Lean Construction in internationalen Projekten

Besonders bei internationalen Bauvorhaben mit vielen verschiedenen Subunternehmern ist die Umsetzung der Prinzipien von Lean Construction nicht zuletzt wegen kultureller Unterschiede ein anspruchsvolles Unterfangen. KREBS+KIEFER wird hierbei von der FIDIC, der International Federation of Consulting Engineers unterstützt. Sie ist der internationale Dachverband von nationalen Verbänden beratender Ingenieure im Bauwesen. Die FIDIC stellt eine Reihe spezifizierten Musterverträge für internationale Projekte zur Verfügung, die eine sichere Grundlage bieten, auch international Projekte nachhaltig und im Sinne von Lean Construction umzusetzen.

Umdenken, um neue Wege zu gehen

Wie gut sich die Anforderungen von Lean Construction mit FIDIC Verträgen umsetzen lassen, zeigte sich im Frühjahr 2019 beim Bau einer Autobahn in Bosnien und Herzegowina. Dort hat KREBS+KIEFER das erste LC konforme Pilotprojekt im Straßenbau erfolgreich umgesetzt. Die geplante Implementierung von LC sorgte zunächst bei vielen Beteiligten für Vorbehalte. Denn die erwartete Transparenz, konkreten Zusagen und turnusmäßige Erfolgskontrollen erfordern Vertrauen. Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und auch Vertrauen auf eine positive Fehlerkultur eines Unternehmens. Das bedeutete ein Umdenken in der Wertematrix eines jeden Beteiligten, das anfangs nicht jedem leichtgefallen ist und wofür wir aktiv werben mussten. Offen für die Bedenken unserer Partner konnten wir im Rahmen eines Kick Off für Lean Construction werben, Grundlagen, Potenziale und Vorteile darstellen und mit viel Überzeugungsarbeit alle Bedenken aus dem Weg räumen. Alle Partner sind schließlich motiviert und mit einer positiven Grundhaltung in das Projekt gestartet.

Arbeit, die sich gelohnt hat

Die Überzeugungsarbeit im Vorfeld des Pilotprojektes hat sich am Ende gelohnt: Wir haben gezeigt, dass Lean Construction dazu beiträgt, Bauvorhaben gesamtheitlich zu steuern und sie schneller und effizienter umzusetzen. Vor allem aber konnten wir unter Beweis stellen, dass dies in höchster Qualität und unter Einhaltung von Kosten- und Terminvorgaben machbar ist. Die Erfolgsfaktoren waren neben der fachlichen Kompetenz der Beteiligten die Bereitschaft zur Transparenz, zur kritischen Betrachtung der Abläufe und zum offenen, kommunikativen Austausch.

In Verbindung mit anderen digitalen Methoden, wie zum Beispiel dem ‚Building Information Modeling‘ (BIM) wird Lean Construction künftig noch mehr das gesamte Arbeitsumfeld verändern und eine nachhaltige Ausrichtung der Baubranche vorantreiben.